Am 24. März 2021 tagte der Ausschuss Digitale Agenda in einer öffentlichen Anhörung zum Thema „Digitale Gewalt gegen Frauen und Mädchen“. Center for Digital Public Services (CDPS)-Direktor Prof. Dr. Dirk Heckmann wurde hierfür als Sachverständiger angehört.
In ihren Eingangsstatements betonten alle Sachverständigen die vielfältigen Erscheinungsformen der geschlechterspezifischen digitalen Gewalt und den sich daraus ergebenden Handlungsbedarf der Politik. Prof. Dr. Heckmann hob hierbei hervor, dass es eines ganzheitlichen Ansatzes dieser Materie bedürfe. So bergen auch innovative neue Technologien, gerade in den Bereichen Smart Home oder Internet of Things das Potential für den Einsatz als Stalkerware. Die geltenden Impressumspflicht kann zudem dazu führen, dass Personen ihre Privatanschrift online veröffentlichen müssen, was sie der Bedrohung etwa durch Stalking aussetzt. Hierbei böte sich zum Beispiel das Einführen von „Impressumsintermediären“ an.
Prof. Dr. Heckmann führte weiter aus, dass es zwar bestehende Straftatbestände in diesem Bereich gäbe, deren Wirkung aber aufgrund der konstant hohen Zahl von Übergriffen als gering einzuschätzen sei. Um die weit verbreitete Ausübung des Cybermobbings besser bekämpfen zu können, schlägt Prof. Dr. Heckmann ein Gesetz zur Verbesserung des Persönlichkeitsrechtsschutzes im Internet (Persönlichkeitsrechtsschutzgesetz – PRG) vor, welches er zusammen mit Dr. Anne Paschke 2018 entwickelt hat. Dieses Gesetz würde einerseits einen eignen Straftatbestand für erhebliche Persönlichkeitsverletzungen schaffen und diesen mit weitergehenden Maßnahmen zum Opferschutz verknüpfen. Das ganzheitliche Konzept des PRG wird durch weitere Regelungen auch im Bereich des Telemedienrechts ergänzt. Hiernach sollen Plattformbetreiber, die mit ihren Diensten eine gewisse Gefährdungslage schaffen, ihr technologisches KnowHow für einen besseren Rechtsschutz zur Verfügung stellen, in dem sie ein System zur Kennzeichnung, Sperrung und Löschung rechtswidriger Inhalte entwickeln und zur Beweissicherung beitragen.
Die Notwendigkeit solcher Maßnahmen zeigen Studien, wie die des Kinderhilfswerks Plan International aus dem Jahr 2020, wonach über zwei Drittel der Frauen und Mädchen in Deutschland online bedroht, beleidigt oder diskriminiert wurden. Dies habe oftmals erhebliche physische und psychische Folgen wie körperlich spürbare Angst- oder Stresszustände. Man müsse daher einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen, der neben strafprozess- auch zivilrechtliche Aspekte enthält. Vorgesehen wäre beispielsweise, dass Opfer von Cybermobbing als Nebenklägerinnen und -kläger auftreten könnten oder für Minderjährige eine psychosoziale Prozessbegleitung festgesetzt würde. Gleichzeitig würde ein Auskunftsanspruch gegen Dienstanbieter sozialer Telemedien etabliert, damit effektiver gegen die vermeintlich anonymen Täter und Täterinnen vorgegangen werden kann.
In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass das Thema fraktionsübergreifend hoher Bedeutung zugemessen wird. Von Seiten der Sachverständigen wurde übereinstimmend betont, dass allein die Verschärfung von Straftatbeständen digitale Gewalt nicht verhindern kann, wie dies auch von Prof. Dr. Heckmann betont wurde.
Die ausführliche Stellungnahme von Prof. Dr. Heckmann und Wissenschaftlichem Mitarbeiter Valentin Vogel steht hier zum Download bereit:
Die Pressemitteilung des Deutschen Bundestages finden Sie hier.